Die Tatsachen vom 29. Juni 1944. Civitella
Die Vortat
Am Sonntagabend, dem 18. Juni 1944, näherten sich neun deutsche Soldaten, vielleicht Fallschirmjäger der Division „Hermann Göring“, einem Bauernhaus in der Ortschaft Madonna bei Civitella. Nachdem sie das Abendessen bestellt und gegessen hatten, gingen sie ins Freizeitwerk des Ortes, setzten sich an einen Tisch und stellten ihre Waffen zu Boden. Eine Gruppe von Widerstandskämpfer, die erfuhren, dass Deutsche im Ort waren, versuchten diese zu entwaffnen. Um circa 21 Uhr traten Sie bewaffnet in das Lokal ein. Ab diesem Zeitpunkt gehen die angegebenen Versionen auseinander: Es wurde gesagt, dass die Widerstandskämpfer sofort das Feuer eröffneten und andere hingegen gaben an, dass tendiert wurde sie zu überzeugen aufzugeben, worauf die Deutschen jedoch sofort reagiert haben. Auf jeden Fall gab es ein Feuergefecht und die drei Deutschen fielen tot zu Boden. Einem von ihnen, der unverletzt blieb, war es möglich zu fliehen. Im Freizeitwerk herrschte große Aufregung, Zivilpersonen liefen aus allen Ecken davon und einigen wurden dabei auch verletzt. Zwei der Deutschen waren tot und einer war verletzt.
Um circa 23 Uhr nachts kam ein Deutscher, der auf seinen Schultern einen verletzten Kameraden trug, zum Bauernhaus von Madonna. Es handelte sich um den gleichen deutschen Soldat des Freizeitwerkes, der daraufhin sofort gewaschen und versorgt wurde bis seine Kameraden ihn auf einem Lastwagen wegbrachten. Unterdessen liefen die Leute terrorisiert von der Repressalie aus dem Ort davon. In der Zwischenzeit hatte auch der Erzpriester Don Alcide Lazzeri vom Vorfall erfahren und entschied, die beiden toten Deutschen, die im Freizeitwerk zurückgeblieben waren, zu waschen und ihnen, mit den noch wenigen Frauen des Ortes, die ihm noch möglich war zu finden, ein Begräbnis zu organisieren. Aber von den Deutschen fehlte noch jegliche Spur. Am 20. Juni kam ein deutscher Soldat, vielleicht ein Arzt, in den Ort, um die beiden Leichen, die noch immer im Freizeitwerk lagen, zu begutachten. Gemeinsam mit einem Dolmetscher hörte er Don Lazzeri zu, der über die unterschiedlichen Phasen des Angriffes erzählte und erklärte, dass keine Zivilpersonen beim vorgefallenen Geschehnis beteiligt waren. Der Offizier, im Zeichen des guten Willens, erklärte sich damit einverstanden, dass die beiden Soldaten im örtlichen Friedhof begraben wurden, und mit Beteiligung des deutschen Einsatzkommandos, wurde die Beerdigung durchgeführt. Die Vorhaben der Soldaten waren jedoch noch immer nicht klar, und die Widerstandskämpfer hatten Angst in den Ort zurückzukehren. Nach einer Reihe von Ermittlungen verließen die Deutschen den Ort. Vielmehr, jemand sagte den Leuten aus Civitella, unbesorgt zu sein, weil keine Repressalien zu erwarten seien. Am Morgen des 29. Junis, zum Anlass des Festes des Hl. Peters und Pauls waren viele Bewohner wieder in den Ort zurückkehrten, und die Fallschirmjäger der Division „Hermann Göring“, die von weiteren Soldaten aber so wie erzählt wird auch von Italienern, unterstützt wurden den Ort in der Morgendämmerung umringten. Alle Männer wurden von ihren Häusern auf den Ortsplatz gewaltsam geschleppt, und unter ihnen war auch Don Lazzeri, der sein Leben zur Rettung von Zivilperson anbot. Er wurde jedoch nicht erhört: Er wurde mit einem Schuss im Nacken, so wie alle anderen 149 Personen erschossen. Unter ihnen waren auch weitere zwei Priester. Anschließend wurden die Leichen in ihre Häuser geworfen, die von den Deutschen zuvor in Brand gesteckt wurden.
Der Operationsumfang und die Anzahl der am Vorfall von Civitella beteiligten Kompanien ermöglichten es leider nicht, die exakte Uhrzeit festzulegen, aber alle überlebenden Zeugen stimmten damit überein, dass die deutschen Soldaten um circa 5.30 Uhr kamen, das heißt, als die Familien dabei waren sich für die Messe des Hl. Peters und Pauls vorzubereiten. Das Ziel dieser Operation lag sicherlich darin, den Vormarsch der alliierten Truppen zu verlangsamen, weil in den Apenninen die Gotenstellung zur Verteidigung von Oberitalien gebaut wurde. Die ersten Personen, die getötet wurden, waren die Bewohner der Ortsteile rund um Civitella. Die Häuser von Palazzina, Querciola, Maestà Tonda wurden von deutschen Soldaten durchsucht und in jedem Haus wurden die Männer, Frauen und Kinder, die in den Häusern zurückgeblieben waren, getötet. In Civitella, traten die Soldaten durch die “Porta Senese” in den Ort ein, durchquerten ihn und zerrten die Personen, die sie entlang ihres Weges festnahmen, bis zur Pfarrkirche. Die deutschen Soldaten kamen im Anschluss daran zu einem Altersheim, in dem sie die acht darin befundenen Personen, töteten. In der Kirche angekommen, dort wo die Bewohner des Ortes versammelt waren, fanden sie das Tor verschlossen. Der Pfarrer, Don Alcide Lazzeri, der wahrscheinlich begriffen hatte was passierte, segnete die Bevölkerung und sperrte sie im Gebäude ein. Die deutschen Soldaten öffneten durch eine Handbombe das Tor und zerrten alle Ortsbewohner, die sich darin versteckt hatten, nach draußen. Man erzählte, dass damals Don Alcide schrie: «Ich bin der Verantwortliche, tötet mich». Der Versuch war aber zwecklos. Die Männer in der Kirche wurden in Gruppen von fünf Personen aufgeteilt und getötet. Der gleiche Don Lazzeri wurde beim Massenmord getötet. Nach der Exekution fuhren die deutschen Soldaten fort, die restlichen Ortsbewohner in ihren Häusern zu töten. Zuletzt zündeten sie die Häuser von Civitella an und töteten auch diejenigen, die versucht hatten sich in den Kellerräumen und Dachkammern zu verstecken. Nur wenigen Männern war es möglich, vom Massenmord zu entkommen.
Solaia und Cornia
Während des Angriffes auf Civitella ging eine Gruppe von deutschen Soldaten von Monte San Savino entlang des Fußpfades nach Cornia. Dieser Fußpfad führte ferner entlang der Bauernhöfe „Il Burrone“ und „Solaia“, von wo der Pfarrer Don Natale Romanelli, nachdem er die 7 Uhr Messe beendet hatte, nach Verniana losgegangen war. Nach circa 1 Kilometer traf er einen Freund, der ihm sagte zurückzugehen, um den Leuten mitzuteilen, so schnell wie möglich zu fliehen. Die Mutter und die Schwester des Pfarrers weigerten sich ihn anzuhören und erwiderten, dass die Deutschen den Frauen und Kindern nichts antun würden, aber in Cornia wurde niemand verschont. Um neun Uhr, nachdem sich die Männer im Wald von Valibona versteckt hatten, kamen die Deutschen. Einige von ihnen wurden Zeugen dieses schrecklichen Schauspiels. Die Soldaten sperrten fünf Frauen in ein Haus ein, töteten sie und steckten es in Brand. Eine Frau wurde von einer Handbombe angegriffen und explodierte gemeinsam mit einem Schwein. Die Schwester des Pfarrers, die an Kinderlähmung litt, wurde im Garten ihres Hauses erschossen, welches vollständig verfallen zurückblieb. Nur die Kirche wurde nicht berührt, aber infolge von alliierten Kanonen bombardiert.
Am 3. Juli kamen weitere deutsche Truppen, die zur Fallschirmjäger-Division gehörten und im Rückzug von der Trasimeno Linie waren, ins Gebiet von Civitella und richteten sich in der kleinen Kirche von Cornia ein, in der sie jedoch zuvor alles vernichteten. Don Natale behauptete, dass diese Soldaten schlimmer waren als ihre Kommilitonen, die zwei Tage zuvor nach Civitella gekommen waren. Diese Soldaten bedienten sich als Verteidigungsposition für circa fünfzehn Tage des Ortes, legten Notunterkünfte außerhalb der Mauern an, schliefen in den Kellerräumen der noch nicht zerstörten Häuser, legten Matratzen auf die Kirchenböden, bevor sie diese entweihten, verwendeten das liturgische Gewand als Toilettenpapier und schossen auf die Heiligenbilder. Die Artillerie der 4 britischen Division, die sich zu diesem Zeitpunkt in der Nähe befand, bombardierte ununterbrochen den Ort mit der Absicht, die Deutschen zu vernichten und alle Häuser zu zerstören. Der Festungsturm wurde beschädigt und die Pfarrkirche, gemeinsam mit dem Glockenturm, vollständig vernichtet. In Solaia wurde die gesamte Familie Valli, Modesta Rossi, ein Widerstandskämpfer sowie die Frau des Widerstandskämpfers von Dario Polletti während sie zu Hause mit ihrem kleinen Sohn im Arm saß, mit einem Hackmesser vor den Augen des siebenjährigen Sohns Mario, getötet.
Die deutsche militärische Kompagnie in Civitella. 29. Juni 1944
Die Division “Hermann Göring” setzte sich großenteils aus Jungen im Alter zwischen 17 und 24 Jahren zusammen und wurden auf freiwilliger Basis von der Hitlerjugend und von anderen Nebenorganisationen der Nazi-Partei, einberufen. Ihren einzigen Einsatz hatte sie im besetzten Europa gemacht, in dem sie sich vor allem auf Massenmord an Zivilpersonen spezialisiert hatten. Im März des Jahres 1944 wurde sie in die Toskana versetzt, wo sie bei diversen Überraschungsangriffen in den Apenninen teilnahm. Das Blutbad von Civitella, Cornia und San Pancrazio war sicherlich eines der grausamsten und unmenschlichsten Massenmorde der Division. Im Gebiet von Arezzo metzelte die Division “Hermann Göring” im April 1944 die gesamte Bevölkerung von Vallucciole, im Casentino hin, rubrizierten anschließend wie Banditen die Männer, die Frauen und die Kinder, die in ihren Häusern überrascht und überfallen wurden. Der Division gehörten auch Mitglieder der ehemaligen Musikgruppe an, die im Jahr 1942 in diversen italienischen Städten auftraten, aber im Jahr 1943 aufgelöst wurden, weil die deutschen Truppen Verstärkung benötigten. Einige der Mitglieder befanden sich als Hilfsgruppen der Militärpolizei unter den Soldaten, die das Blutbad vom 29. Juni 1944 in Civitella vorbereiteten, weil die zwei, am Landesgericht von La Spezia verurteilten Offiziere, Teil von ihnen waren.